Schadensersatz
Privater Schadensersatz wegen Kartellverstoß
Wer gegen das Kartellverbot verstoßen hat, ist verpflichtet, den Geschädigten den entstandenen Schaden zu ersetzen. Die private Durchsetzung des Kartellrechts dient damit der Wiedergutmachung des durch ein Kartell verursachten individuellen Schadens. Private Schadensersatzforderungen ergänzen somit die kartellbehördlichen Aktivitäten. Als „zweite Säule der Kartellverfolgung“ tragen sie dazu bei, dass die Beteiligung an illegalen Kartellen für Unternehmen weniger attraktiv erscheint; sie erhöhen die Abschreckungswirkung.
Die Zahl der Schadensersatzbegehren hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Die erhobenen Schadensersatzforderungen sind dabei häufig Gegenstand außergerichtlicher Einigungen, so dass die Höhe der tatsächlich gezahlten Schadensersatzsummen nicht öffentlich bekannt ist.
Die Effektivität der privaten Schadensersatzverfolgung wegen Kartellverstoß wurde in den vergangenen Jahren durch gesetzgeberische Maßnahmen und Entscheidungen der Gerichte weiter gestärkt:
- Eine rechtskräftige kartellbehördliche Entscheidung gegen ein Kartell hat im zivilen Schadensersatzprozess Feststellungswirkung, d.h., ein Kläger muss den Kartellrechtsverstoß nicht erneut nachweisen.
- Der im Einzelfall entstandene Schaden muss nicht exakt ausgerechnet werden, sondern kann vom zuständigen Gericht geschätzt werden.
- Während der kartellbehördlichen Verfahren wird die Uhr für mögliche Schadensersatzforderungen faktisch angehalten. Das ist aufgrund der mitunter sehr langen Verfahrensdauer wichtig, damit eventuelle Schadensersatzansprüche nicht verjähren.
Privilegierung des Kronzeugen
Wenn Kartellbeteiligte als Kronzeugen dazu beitragen, ein Kartell zwischen Wettbewerbern aufzudecken, kann das Bundeskartellamt ihnen die Geldbuße vollständig erlassen oder ermäßigen. Dabei gilt: Je frühzeitiger eine Kooperation erfolgt, desto wertvoller ist sie in der Regel und desto stärker kann sie honoriert werden. Deckt ein Kronzeuge ein Kartell erstmals auf, wird in der Regel die Geldbuße vollständig erlassen.
Der Kronzeuge ist auch hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung für vom Kartell verursachte Schäden gegenüber anderen Kartellbeteiligten gesetzlich privilegiert. Seine Haftung beschränkt sich auf seine unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten. Anderen Geschädigten ist der Kronzeuge nur zum Schadensersatz verpflichtet, wenn diese von den übrigen Kartellbeteiligten keinen vollständigen Ersatz erlangen konnten (§ 33e GWB).
Der Schutz von Kronzeugen ist für eine effektive Kartellrechtsdurchsetzung essentiell. Werden potentielle Kronzeugen aufgrund drohender Schadensersatzansprüche davon abgeschreckt, mit den Kartellbehörden zu kooperieren, besteht die Gefahr, dass der Verstoß unentdeckt bleibt oder nicht aufgeklärt werden kann. Damit also Geschädigte überhaupt zu ihrem Recht kommen können, ist eine Privilegierung von Kronzeugen daher geboten.
Um die Effektivität des Kartellrechts weiter zu steigern, sprechen sich das Bundeskartellamt und auch die Monopolkommission in ihrem XXIV. Hauptgutachten 2022 dafür aus, den Kronzeugen gesetzlich noch weitergehend zu privilegieren.
Akteneinsicht in Bußgeldbescheide des Bundeskartellamtes
Geschädigte können zur Vorbereitung ihres Schadensersatzbegehrens Akteneinsicht in Bußgeldentscheidungen des Bundeskartellamtes beantragen (§§ 406e, 475 Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit § 89c Absatz 5 Satz 2 GWB). Dazu müssen sie Verletzte im Sinne des § 406e Strafprozessordnung oder Dritte (Privatpersonen, sonstige Stellen, z.B. ein Insolvenzverwalter oder Sachwalter) im Sinne des § 475 StPO sein.
Ein Kläger muss den vom Bundeskartellamt bereits festgestellten Kartellrechtsverstoß vor Gericht nicht erneut nachweisen: Aufgrund der gesetzlichen Regelung hat eine rechtskräftige kartellbehördliche Bußgeldentscheidung gegen ein Kartellmitglied im zivilen Schadensersatzprozess Feststellungswirkung. Dadurch wird es für Geschädigte im Anschluss an ein behördliches Verfahren wesentlich einfacher, Schadensersatzansprüche gerichtlich durchzusetzen.
Allerdings enthält der Bußgeldbescheid keine individuellen Informationen zur Höhe des Schadens, der durch einen Kartellverstoß verursacht wurde, da die konkrete Schadenshöhe für die behördliche Bußgeldentscheidung nicht von Bedeutung ist.
Anträge Geschädigter auf Akteneinsicht müssen die Verletzteneigenschaft und das berechtigte Interesse an der Akteneinsicht, Anträge von Dritten müssen ein berechtigtes Interesse an der Aktenauskunft darlegen.
Inhalt eines Antrags auf Akteneinsicht:
Ein Akteneinsichtsantragsteller genügt seiner Darlegungslast, wenn er substantiiert darlegt, dass er durch den Wettbewerbsverstoß verletzt worden sein könnte. Das setzt grundsätzlich voraus, dass er plausibel macht, dass er Produkte bezogen hat, auf die sich das Kartell schadensursächlich ausgewirkt haben könnte. Dies kann in der Regel durch die Vorlage exemplarischer Rechnungen erfolgen, die einen Bezug kartellbetroffener Ware von einem der bebußten Unternehmen im Kartellzeitraum enthalten. Ergänzend sollte eine Erläuterung der Schadensursächlichkeit des Kartells beigefügt werden.
Dem (schriftlichen) Akteneinsichtsantrag müssen daher folgende Informationen eindeutig entnommen werden können:
- eine hinreichende Darlegung und Substantiierung, in welcher Weise Sie als potentiell Geschädigter von dem Kartell betroffen gewesen sein können (z.B. durch Vorlegen beispielhafter, gegebenenfalls geschwärzter Rechnungen, aus denen die Verletzteneigenschaft eindeutig ersichtlich ist); nähere Details zum Kartell entnehmen Sie bitte dem entsprechenden Fallbericht, der auf der Homepage des Bundeskartellamtes veröffentlicht ist;
- die Darlegung des berechtigten Interesses an der Akteneinsicht;
- die Mitteilung, ob – um eine schnellere Bearbeitung zu ermöglichen – auf die Offenlegung von natürlichen und juristischen nicht bebußten Personen, ausgenommen des Kronzeugen, verzichtet wird;
- und für den Fall, dass Sie einen Anwalt mit der Einreichung eines Akteneinsichtsgesuchs beauftragen: eine Verfahrensvollmacht.
Offenlegung der Anträge auf Akteneinsicht gegenüber den betroffenen Unternehmen und Personen:
In Bußgeldbescheiden werden in der Regel neben den bebußten Personen und Unternehmen weitere natürliche und juristische Personen, gegen die kein Bußgeld verhängt wurde, benannt. Weil diese insgesamt von der Akteneinsicht betroffen sind, gewährt das Bundeskartellamt auch ihnen vor einer Entscheidung über den Antrag rechtliches Gehör.
Im Rahmen der Verfahrensbeschleunigung und zur Vermeidung von z.B. langwieriger, aufwendiger Ermittlungen der von der Akteneinsicht betroffenen Adressaten kann ein Antragsteller zunächst auf die Offenlegung der natürlichen und juristischen nicht bebußten Personen, ausgenommen des Kronzeugen, verzichten. Dies sollte in dem Antrag auf Akteneinsicht ausdrücklich erklärt werden.
Die bebußten Personen und Unternehmen sowie – wenn vom Antragsteller kein Verzicht auf deren Nennung erklärt wird – weitere benannte Personen, gegen die kein Bußgeld verhängt wurde, erhalten im Rahmen der Anhörung Einsicht in die gestellten Anträge auf Akteneinsicht sowie die zugehörigen Anlagen. Die Anträge und Anlagen werden umfassend, d.h. ohne Schwärzungen, den von der Akteneinsicht betroffenen Unternehmen und Personen, in deren Bußgeldbescheide Einsicht gewährt werden soll, übermittelt. Mit Antragstellung werden diese Anträge auch Bestandteil der bußgeldrechtlichen Verfahrensakte.
Sowohl Geschäftsgeheimnisse als auch persönliche Daten (z.B. Geburtsdatum und -ort) werden grundsätzlich nicht offengelegt. Offengelegt werden aber u.a. die Namen der tatbeteiligten natürlichen Personen und Unternehmen sowie Angaben, die den Kartellrechtsverstoß unmittelbar betreffen.
Entscheidungen des AG Bonn zur Akteneinsicht:
Die Praxis des Bundeskartellamtes zur Akteneinsicht Dritter stützt sich auf eine Vielzahl von (unanfechtbaren) Entscheidungen des für diese Fragen zuständigen Amtsgerichts Bonn.
Hier finden Sie Entscheidungen des AG Bonn zur Akteneinsicht beim Bundeskartellamt.