Sektoruntersuchungen & Abhilfemaßnahmen
Mit dem Instrument der Sektoruntersuchung kann sich das Bundeskartellamt ein genaues Bild über die Wettbewerbssituation in bestimmten Wirtschaftsbereichen machen. Sektoruntersuchungen können eingeleitet werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Wettbewerb in diesen Bereichen eingeschränkt oder verfälscht ist.
Seit der 11. GWB-Novelle aus dem Jahr 2023 kann das Bundeskartellamt unter bestimmten Voraussetzungen im Anschluss an eine Sektoruntersuchung gezielte Maßnahmen anordnen, um festgestellte Störungen des Wettbewerbs abzustellen.
Neben den kartellrechtlichen Sektoruntersuchungen kann das Bundekartellamt seit 2017 auch Sektoruntersuchungen bei einem begründeten Verdacht auf gravierende Verstöße gegen verbraucherrechtliche Vorschriften durchführen. Im Fokus stehen dabei Themen rund um den digitalen Alltag der Verbraucherinnen und Verbraucher. Mehr zu Sektoruntersuchungen im Bereich Verbraucherschutz erfahren Sie hier.
Das Instrument der Sektoruntersuchung
Mit einer Sektoruntersuchung werden die Strukturen und Wettbewerbsbedingungen in bestimmten Wirtschaftszweigen untersucht und analysiert. Eine Untersuchung kann eingeleitet werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Wettbewerb in einem Bereich möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist.
Sektoruntersuchungen richten sich nicht gegen einzelne Unternehmen und gehen keinem konkreten Verdacht auf einen Kartellverstoß nach. Die gewonnen Erkenntnisse können aber eine Grundlage sein, um bspw. gesetzgeberische Maßnahmen zu empfehlen, die den Wettbewerb fördern würden. Ergeben sich aus einer Sektoruntersuchung Hinweise auf illegale Absprachen oder einen verbotenen Missbrauch von Marktmacht bestimmter Unternehmen, kann das Bundeskartellamt in der Folge entsprechende Verfahren einleiten.
Im Rahmen einer Sektoruntersuchung werden Unternehmen und andere Branchenbeteiligte wie bspw. Verbände befragt und meist umfangreiche Daten erhoben. Die Ermittlungsbefugnisse des Bundeskartellamtes gleichen denen in anderen Verfahren der Behörde. Die Unternehmen sind zur Auskunft verpflichtet und das Bundeskartellamt könnte bei Bedarf auch Durchsuchungen vornehmen.
Eine Sektoruntersuchung soll nach maximal 18 Monaten abgeschlossen sein. Die Ergebnisse veröffentlicht das Bundeskartellamt in einem Abschlussbericht.
Sektoruntersuchungen im Detail
Alle Sektoruntersuchungen im Überblick
Mehr zu allen durchgeführten Sektoruntersuchungen des Bundeskartellamtes finden Sie hier.
Abhilfemaßnahmen nach einer Sektoruntersuchung
Anordnung einer Anmeldepflicht für Zusammenschlussvorhaben
Normalerweise müssen Übernahmen oder Fusionen und Anteilserwerbe von Unternehmen erst ab einer bestimmten Größenordnung, die sich v.a. nach den Umsätzen der beteiligten Unternehmen bemisst, beim Bundeskartellamt zur Kontrolle angemeldet werden. Neben anderen Voraussetzungen muss ein beteiligtes Unternehmen dabei im Vorjahr im Inland einen Umsatz von mindestens 50 Millionen Euro und ein anderes von mindestens 17,5 Mio. Euro erzielt haben (siehe Details zur Anmeldepflicht von Zusammenschlussvorhaben).
Abweichend von dieser allgemeinen Voraussetzung für eine Anmeldepflicht kann das Bundeskartellamt nach einer Sektoruntersuchung Unternehmen für einen Zeitraum von zunächst drei Jahren verpflichten, auch Übernahmen von kleineren Unternehmen anzumelden, die im Inland lediglich Umsätze von 1 Mio. Euro erzielen. Diese Regelung kann vor allem für mittelständisch geprägte, regionale Märkte eine große Bedeutung haben, wenn die Gefahr besteht, dass durch den Erwerb von kleineren und mittleren Unternehmen Marktmacht aufgebaut oder erweitert wird.
Voraussetzungen für die Anordnung einer Anmeldepflicht:
- Durchführung und Abschluss einer Sektoruntersuchung
- In einem untersuchten Wirtschaftszweig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass künftige Zusammenschlüsse den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen könnten
- Das erwerbende Unternehmen hat mindestens 50 Millionen Euro Umsatz in Deutschland erzielt
- Das Zielunternehmen hat mindestens eine Millionen Euro Umsatz in Deutschland erzielt
Maßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung von Wettbewerbsstörungen
Mit der 11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 2023 hat der Deutsche Bundestag ein neues Eingriffsinstrument zum Schutz des Wettbewerbs beschlossen. Im Anschluss an eine Sektoruntersuchung und eine Feststellung einer Wettbewerbsstörung kann das Bundeskartellamt gezielte Maßnahmen anordnen, um dieser Störung des Wettbewerbs abzuhelfen.
Die Besonderheit dieses Instruments besteht unabhängig von der Art der Abhilfemaßnahme darin, dass Unternehmen Verpflichtungen auferlegt werden können, ohne dass diese einen konkreten Verstoß gegen das Kartellrecht begangen haben, etwa in Form einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung oder eines Missbrauchs von Marktmacht. Das Bundeskartellamt soll die Möglichkeit haben – verstoßunabhängig – Störungen des Wettbewerbs zu beheben oder zu verringern.
Die Besonderheit dieses Instruments ist unabhängig von der Art der Maßnahme, dass Unternehmen Verpflichtungen auferlegt werden können, ohne dass die jeweiligen Unternehmen einen konkreten Verstoß gegen das Kartellrecht, etwa eine illegale Absprache oder einen Missbrauch von Marktmacht, begangen haben. Das Bundeskartellamt soll die Möglichkeit haben – verstoßunabhängig – Störungen des Wettbewerbs zu beheben.
Die Anordnung von Abhilfemaßnahmen ist an hohe Voraussetzungen geknüpft:
1. Durchführung und Abschluss einer Sektoruntersuchung
2. Feststellung einer Wettbewerbsstörung gegenüber bestimmten Unternehmen
- Die Störung muss erheblich und dauerhaft sein (d.h. seit mindestens drei Jahren bestehen und zumindest zwei weitere Jahre andauern).
- Die sonstigen Befugnisse des Bundeskartellamtes dürfen voraussichtlich nicht ausreichen, um diese Störung wirksam und dauerhaft zu beseitigen.
- Die mit der Feststellung adressierten Unternehmen müssen zu der Störung wesentlich beigetragen haben.
3. Anordnung von konkreten Abhilfemaßnahmen
- Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein, d.h. geeignet und erforderlich, die Störung zu beseitigen oder zu verringern, sowie angemessen sein.
- Die Anordnung einer Entflechtung unterliegt dabei zusätzlichen gesetzlichen Voraussetzungen. U.a. ist sie nur gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen (siehe dazu die Themenseite zur Missbrauchsaufsicht) und großen Digitalkonzernen (Adressaten von § 19a Absatz 1 GWB) möglich.
Dauer und Rechtsschutz:
- Jeder einzelne dieser drei Schritte bedarf umfangreicher Ermittlungen und der Abfassung eines Abschlussberichtes (Sektoruntersuchung) bzw. formeller Beschlüsse unter Wahrung der Verfahrensrechte aller betroffenen Unternehmen, so dass insgesamt von einer Verfahrensdauer von mehreren Jahren ausgegangen werden muss.
- Betroffene Unternehmen können sowohl gegen die Feststellung einer Wettbewerbsstörung, als auch gegen die Anordnung von Abhilfemaßnahmen Rechtsmittel einlegen, über die dann in erster Instanz das Oberlandesgericht Düsseldorf und evtl. in zweiter Instanz der Bundesgerichtshof entscheiden würde.
- Die Beschwerde gegen Abhilfemaßnahmen hat aufschiebende Wirkung.