Digitale Märkte
So tickt die Digitalwirtschaft
Digitalisierung ist ein Querschnittsthema und führt zu tiefgreifenden Veränderungen in fast allen Wirtschaftsbereichen. Völlig neue Geschäftsmodelle wie Suchmaschinen, Vergleichsportale, soziale Netzwerke und viele Geschäftsmodelle der Sharing Economy sind entstanden. Die Digitalisierung verändert aber auch viele traditionelle Wirtschaftsbereiche. Damit entstehen neue Herausforderungen für den Wettbewerb und für die Arbeit des Bundeskartellamtes.
Viele digitale Märkte sind geprägt von Plattformen oder Netzwerken, die die Interaktion zwischen Nutzergruppen ermöglichen – etwa zwischen Käufern und Verkäufern oder zwischen Zuschauern und Werbetreibenden. Das Phänomen, dass Nutzer weitere Nutzer anziehen – sog. positive Netzwerkeffekte – spielt eine große Rolle. Viele digitale Märkte neigen zu Konzentration oder sind bereits von nur wenigen großen Anbietern geprägt. Teils bilden sich digitale Ökosysteme, die verschiedene Dienste über verschiedene Märkte hinweg miteinander verzahnen, teils ist es schwer für Nutzer, von einem Dienst zu anderen Diensten zu wechseln (sog. Lock-in-Effekte). Gleichzeitig sind in der digitalen Wirtschaft Daten häufig von wettbewerblicher Relevanz. Sie sind die Grundlage für viele Dienste, die kostenlos angeboten werden. Über Nutzer gesammelte Daten können etwa für personalisierte Werbung genutzt werden. Nicht nur in diesem Kontext können auch Algorithmen für die Analyse großer Datenmengen (Big Data) von hoher Bedeutung sein. Sie sind gewissermaßen der technische Unterbau vieler digitaler Geschäftsmodelle.
Plattformen und Netzwerke
Viele Internet-Dienste sind als Plattformen oder Netzwerke aufgebaut. Ein wesentliches Element sind dabei die sogenannten Netzwerkeffekte. Nutzerinnen und Nutzer bevorzugen häufig Dienste, denen sich bereits viele Andere angeschlossen haben. Wenn sich mehr Nutzerinnen und Nutzer miteinander vernetzen, kann davon jeder Einzelne profitieren (sog. direkte Netzwerkeffekte). Bei Online-Plattformen spielt die Vernetzung verschiedener Marktseiten eine große Rolle – etwa Händler mit Käufern. Käufer können von einer höheren Anzahl von Händlern profitieren und umgekehrt (sog. indirekte Netzwerkeffekte).
Unentgeltliche Dienste
Viele Dienste sind im Internet kostenlos. Das gilt aber nur eingeschränkt. Denn die Nutzerinnen und Nutzer zahlen häufig dafür mit der Weitergabe ihrer Daten. Dazu kommt: Plattformen richten sich an mehrere Marktseiten, für die dann jeweils unterschiedliche Preismodelle gelten. Wollen etwa Händler oder Hotels über eine Plattform auffindbar sein und Geschäfte abwickeln, ist dies für sie häufig gebühren- oder provisionspflichtig, auch wenn der Dienst für andere Nutzer unentgeltlich ist.
Daten sind Macht
Die Sammlung von Daten ist der zentrale Baustein vieler digitaler Geschäftsmodelle (Stichwort Big Data). Unternehmen verarbeiten große Datenmengen, z.B. um digitale Dienste anzubieten oder im Zusammenhang mit der Ausspielung von Werbung. Gleichzeitig sind Daten DER Marktmachtfaktor der digitalen Ökonomie: Wer viele Daten hat und Daten aus verschiedenen Quellen zusammenführt, kann häufig bessere Services anbieten und hat einen Wettbewerbsvorteil.
Digitale Ökosysteme
Das Zusammenspiel verschiedener Dienste oder Produkte von Digitalkonzernen wird zum Teil als digitales Ökosystem bezeichnet. Nutzerinnen und Nutzer haben häufig reduzierte Anreize, Dienste außerhalb des Ökosystems zu nutzen, z.B. weil die Bestandteile des Ökosystems sehr gut aufeinander abgestimmt sind. Unternehmen versuchen oft, Ökosysteme zu erweitern (auch durch Fusionen) oder die Integration und das Zusammenwirken von Diensten zu verbessern. Digitale Ökosysteme können mitunter mit wettbewerblichen Problemen verbunden sein. So könnte es sein, dass ein Unternehmen absichtlich Hürden aufbaut, um Kundinnen und Kunden den Wechsel zu alternativen Anbietern zu erschweren, die vielleicht für sie besser wären.
Rasanter technologischer Fortschritt
In der Digitalwirtschaft entwickeln sich neue Technologien rasant. Beispiele hierfür sind die Blockchain oder das Metaverse, ein virtueller, erweiterter Nachbau der Realität. Vor allem ist die Künstliche Intelligenz (KI) eine Schlüsseltechnologie für die wettbewerbliche Weiterentwicklung der Digitalwirtschaft. Hier bestehen einerseits Chancen für Wettbewerbsimpulse, aber andererseits auch die Gefahr, dass sich Machtpositionen der großen Internetkonzerne weiter verfestigen. Den neuen Formen der generativen KI wird dabei ähnliches disruptives Potential zugesprochen wie beispielsweise der Einführung des Smartphones. Einerseits sind hier vielversprechende Modelle kleinerer Startups zu beobachten. Andererseits können die großen Digitalkonzerne bei und mit der Entwicklung derartiger Modelle verstärkt von bereits bestehenden Vorsprüngen etwa im Zusammenhang mit Zugang zu Daten und Rechenleistung profitieren. Gerade datengetriebene Netzwerkeffekte können sich verstärken, denn KI eröffnet neue Möglichkeiten, Daten zu verarbeiten, und verknüpft diese auf neue Weise. Die Marktmacht der großen Player kann damit zunehmen. Entsprechend beobachten auch Wettbewerbsbehörden weltweit die Entwicklungen in diesem Bereich genau.